Die häufigsten Fragen zur Psychotherapie

Ich möchte Ihnen nachfolgend ein Paar allgemeine Informationen zur psychotherapeutischen Versorgung in Deutschland geben. Diese Informationen beantworten die häufigsten, in Zusammenhang mit Psychotherapie gestellten Fragen und geben u. a. einen Überblick über die gängigen Psychotherapie-Verfahren.

Wird Psychotherapie überhaupt von den Krankenkassen bezahlt?

Bei der Terminvergabe ist eine häufig gestellte Frage, ob denn die Krankenkassen überhaupt Psychotherapie bezahlen. In Deutschland sind wir in der glücklichen Situation, dass sowohl private Krankenversicherungen, Beihilfestellen, wie auch die gesetzlichen Kassen, psychotherapeutische Leistungen erstatten. Es müssen jedoch gewisse Voraussetzungen erfüllt sein, damit psychotherapeutische Leistungen von den Krankenkassen und Beihilfestellen erstattet werden.
So muss beispielsweise der Therapeut – in der Regel ein Arzt oder Psychologe – bestimmte Qualifikationen erfüllen. Nach dem Studium der Medizin oder der Psychologie und der Approbation muss eine, in der Regel 3 – 6 Jahre dauernde, psychotherapeutische Weiterbildung, absolviert werden. Umfang und Inhalt dieser Weiterbildung sind hierbei vom Gesetzgeber genau vorgeschrieben. Die Durchführung der Weiterbildung ist zumeist an staatlich anerkannte Ausbildungsinstitute gebunden und die Ärzte- und Psychotherapeutenkammern überprüfen, ob der Arzt oder Psychologe die Weiterbildungskriterien erfüllt hat. Der Gesetzgeber hat daher auch seit 1999 den Begriff „Psychotherapeut“ gesetzlich geschützt, um so für Patienten und Krankenkassen einen Qualitätsstandard garantieren zu können. Die Berufsbezeichnung „Psychotherapeut“ darf somit heute nur noch führen, wer als approbierter Arzt oder Psychologe diese Weiterbildung durchlaufen hat.

Welche Psychotherapie – Formen gibt es?

Eine weitere Voraussetzung dafür, dass der Patient Psychotherapie von seiner privaten oder gesetzlichen Krankenkasse oder der Beihilfestelle erstattet bekommt ist, dass der Therapeut eines der drei sogenannten „kassenzugelassenen“ Psychotherapieverfahren erlernt hat und anwendet.

Es gibt eine Vielzahl von Therapieformen, mit teilweise wohlklingenden Namen, die die Heilung oder Linderung seelischer Probleme versprechen. Vielen dieser Psychotherapieformen fehlt jedoch eine wissenschaftliche Grundlage und die postulierten Wirkmechanismen basieren zum Teil auf esoterischen Weltanschauungen, mehr oder weniger fragwürdigen Theorien oder es werden Wunderheilungen in wenigen Sitzungen versprochen.

Ohne die teilweise subjektiv empfundene Hilfe oder eine kurzfristige seelische Entlastung durch solche Psychotherapie-Formen bestreiten zu wollen, hat keine der derartigen Therapieformen bisher wissenschaftlichen Überprüfungen standhalten können. Derzeit werden von den privaten und gesetzlichen Krankenkassen und den Beihilfestellen daher lediglich drei Psychotherapieverfahren erstattet, da diese drei Therapieverfahren ihre Wirksamkeit in Zusammenhang mit der Behandlung seelischer Erkrankungen über Jahrzehnte wissenschaftlich beweisen konnten und da deren Heilerfolge in ungezählten Studien ausreichend belegt sind.

Diese Psychotherapieverfahren sind:

- Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
- Analytische Psychotherapie (Psychoanalyse)
- Verhaltenstherapie

Ich selber habe nach dem Medizinstudium als Assistenzarzt in der Inneren Medizin, in der Psychiatrie und in einer „Landarzt-Praxis“ gearbeitet. Zusätzlich und berufsbegleitend habe ich mich (über insgesamt 6 Jahre) in zwei der drei oben aufgeführten Psychotherapieverfahren ausbilden lassen, nämlich der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der analytischen Psychotherapie (Psychoanalyse) und von der Ärztekammer die Anerkennung als „Tiefenpsychologisch fundierter Psychotherapeut“ (1995) und als „Psychoanalytiker“ (1999) verliehen bekommen.

Was ist der Unterschied zwischen den einzelnen Psychotherapieverfahren?

Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und analytische Psychotherapie (Psychoanalyse)

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie (Psychoanalyse) gehen davon aus, dass einem Krankheitssymptom – seien es Ängste, Depressionen, Selbstwert-Probleme oder körperliche Symptome – eine „unbewusste Software“ zugrunde liegt. Aufgrund seiner Erlebnisse und Erfahrungen im Leben (vor allem während der Kindheit und Jugend) schreibt der Mensch sich unbewusst zahlreiche „Software-Module“ – etwa den Umgang mit Anderen, den eigenen Selbstwert oder dem Umgang mit Schuld und Aggressionen betreffend – mit denen er durch das Leben läuft. Durch aktuelle Lebensereignisse – etwa ein neuer Chef, eine neue Partnerschaft, die Geburt eigener Kinder, Verlusterlebnisse, kränkende oder traumatische Ereignisse – können unbewusst alte Software-Module „hochgeladen“ werden. Dieser Rückgriff auf alte Software-Module ist aber häufig ein unzureichender oder unglücklicher Lösungsversuch, indem die unbewusst ablaufenden Prozesse zu seelischen oder körperlichen („psycho-somatischen“) Symptomen führen.

Die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die analytische Psychotherapie (Psychoanalyse) gehen davon aus, dass es kein Zufall ist, dass ein Mensch eine Depression, eine Angststörung, quälende Selbstzweifel oder psychosomatische Symptome entwickelt. Der Tiefenpsychologe und der Psychoanalytiker versuchen, gemeinsam mit dem Patienten, ein Verständnis dafür zu bekommen, woher die aktuelle Symptomatik kommt und deren „Sinnhaftigkeit“ zu begreifen. Hierbei finden Patient und Therapeut in der Regel heraus, welche unbewussten Mechanismen der aktuellen Problematik zugrunde liegen, wie die „Software“ hinter der Symptomatik aussieht, warum und in welcher Zeit diese auf der inneren Festplatte festgeschrieben wurde und wie sie funktioniert. Dieses Verstehen und Begreifen gleicht ein wenig der Arbeit eines Archäologen oder Detektivs, der sich mit der Zeit ein Mosaik zusammensetzt und so „begreifen“ kann, woher die Probleme und Schwierigkeiten kommen. Durch diese Bewusstmachung kann der Patient alte Software-Programme, die bisher entweder unbemerkt in ihm geschlummert haben oder die immer wieder automatisch/unbewusst „hochgebootet“ wurden, auf der „inneren Festplatte“ löschen oder durch eine modernere, zeitgemäße Software ersetzen, so dass er nicht mehr eine, ihn im Leben einengende Symptomatik, entwickeln muss und seine Symptomatik (z. B. Ängste, Depressionen oder körperliche Symptome)verliert.

Sigmund Freud, dessen Forschungen diesen beiden Therapieverfahren zugrunde liegen, hat einmal formuliert, dass durch die „aufdeckenden Psychotherapieverfahren“ (wie die tiefenpsychologisch fundierte und die analytische Psychotherapie auch genannt werden) der Patient wieder „Herr im eigenen Haus“ werden kann, das heißt, dass er seinen quälenden Symptomen nicht mehr fassungslos und ohnmächtig gegenüber stehen muss. Seelisches Leid engt den Menschen wie kaum eine andere Erkrankung in seiner Erlebnisfähigkeit und seiner Lebensfreude ein (jeder, der einmal an einer Depression, an Angstanfällen oder quälenden Selbstzweifeln gelitten hat, kann dies bestätigen). Sigmund Freud hat in diesem Zusammenhang den Satz „Hinschauen macht frei“ geprägt, das heißt, dass das „in die Tiefe Gehen“ und das Verstehen der eigenen unbewussten Abläufe dem Menschen ein Verschwinden der quälenden und ihn in seinen Möglichkeiten eingrenzenden Symptomen, ermöglicht. Wenn Sie die Weltliteratur, die Filmgeschichte oder Ihre Umwelt betrachten, so ist diese voll von psychoanalytischen Gedanken und Mechanismen und es ist daher auch kein Zufall, dass Begriffe wie „Unbewusstes“ oder „Verdrängung“ seit Jahrzehnten in den allgemeinen Sprachgebrauch integriert sind. (Herbert Groenemeyer: „Der Mensch heißt Mensch, weil er vergisst, weil er verdrängt, weil er erinnert, weil er kämpft“).

Verhaltenstherapie

Die Verhaltenstherapie (auch wenn diese nachfolgend möglicherweise etwas vereinfacht dargestellt wird) interessiert sich häufig weniger für die unbewussten Gründe oder biographische Entwicklungen, die einer seelischen Erkrankung zugrunde liegen. Ihr Ansatz ist ein eher „praktischer“, in dem „im Hier und Jetzt“ versucht wird, mit dem Patienten Lösungsstrategien zu erarbeiten, die teilweise unter direkter Mithilfe des Therapeuten in der Praxis umgesetzt werden sollen. Dass verhaltenstherapeutische Krankheitsmodell basiert auf der Vorstellung von erlernten Verhaltensweisen und dem Herausarbeiten der, eine Krankheit bedingender, verstärkender oder vermeidender Faktoren, kommt eine besondere Bedeutung zu. In einer verhaltenstherapeutischen Behandlung werden häufig „konkret“ und „auf dem Reißbrett“ Therapie-Strategien und -ziele festgesetzt und deren Umsetzbarkeit an Hand des Erfolges regelmäßig neu justiert.

Welche Kritikpunkte gibt es zu den genannten Therapieverfahren?

In Bezug auf die aufdeckenden Psychotherapieverfahren (tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und Psychoanalyse) existiert folgender klassischer Witz: Zwei Freunde treffen sich nach ein paar Jahren wieder und der Eine fragt den Anderen: „Sag mal, Du hast doch vor Jahren mal eine Psychoanalyse angefangen, weil Du Dir immer in die Hose gemacht hast. Wie ist es denn heute so?“. Hierauf der Andere: „Tja, ich mache mir immer noch in die Hose, ich weiß jetzt aber, warum“. In diesem Witz steckt eine, häufig geäußerte, jedoch in der überwiegenden Zahl von Behandlungen nicht zutreffende Kritik, indem die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie und die Psychoanalyse vor lauter „Psychologisieren“ und sich „auf die schlimme Kindheit Stürzen“ die eigentliche Symptomatik – den Grund, warum der Patient zum Therapeuten kam – außer Acht lässt.

Die Kritik an der Verhaltenstherapie ist im Gegenzug, dass diese sich häufig ausschließlich auf das „Wegmachen“ des Symptoms konzentriert, im Sinne einer „Lackpflege“, nach der das Auto zwar kurze Zeit wieder gut aussieht, der Rost jedoch unter der Oberfläche weiter frisst und später an gleicher oder anderer Stelle wieder sichtbar wird. Auf den Menschen übertragen bedeutet dies, dass ein Patient mit einer Angststörung seine Ängste durch verhaltenstherapeutische Techniken sehr häufig rasch verlieren kann. Wenn dieser Angststörung jedoch zum Beispiel unbewusst eine schwere Schuld-Thematik oder Ängste, anderen Vertrauen oder anderen die Meinung sagen zu können, zugrunde liegt, wird sich die unbewusste Psychodynamik (so der Fachterminus der Tiefenpsychologen) häufig ein anderes Ventil – sprich zu einem späteren Zeitpunkt eine andere Symptomatik – suchen.
Ich selber bin kein Verhaltenstherapeut geworden sondern habe mich in den Verfahren der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der analytischen Psychotherapie (Psychoanalyse) ausbilden lassen, die beide von ihren theoretischen Grundsätzen her sehr eng verwandt sind. Dieses, da meine tägliche Erfahrung ist, dass der Mensch ein angeborenes Bedürfnis nach Erklärungen und einer sinnhaften Strukturierung seiner Welt hat („Man is a meaning-hunter“, „Ich denke, also bin ich“). Der Frage: „Woher komme ich und wohin gehe ich“ – und somit der Geschichtlichkeit des Menschen – kommt aus meiner Sicht eine zentrale Bedeutung zu.

Auch wenn ich die Erfolge der Verhaltenstherapie uneingeschränkt anerkenne und – wenn ich es für sinnvoller und indiziert halte – einem Patienten ohne jedes Zögern eine Verhaltenstherapie empfehlen würde, hat die Seele des Menschen für mich zu viele Facetten und eine komplexere Dynamik, als dass sich seelische Symptome durch ein reines Umlernen und Umtrainieren dauerhaft beseitigen lassen. Die Verhaltenstherapie wurde in Amerika entwickelt und erfährt in unserem Gesundheitssystem derzeit große Popularität, da sie für sich das Privileg kürzere Behandlungsdauern und dadurch gesundheitsökonomischer Vorteile in Anspruch nimmt. Die Seele des Menschen hat jedoch ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten und seelische Erkrankungen/Veränderungen brauchen (im Gegensatz zu einer Blinddarm-Entzündung, einer Harnwegs-Infektion oder einem Migräne-Anfalls) häufig mehr (Behandlungs-) Zeit als dies von den Krankenkassen gewünscht ist.

Unter dem zunehmenden Kostendruck im Gesundheitswesen besteht seitens der Verantwortlichen vermehrt ein Interesse an schnellen (dafür häufig aber nur kurzfristigen und oberflächlichen) Behandlungserfolgen – ein Phänomen, mit dem nicht nur die Psychotherapie, aber im besonderen die tiefenpsychologische Behandlung und die Psychoanalyse zu kämpfen haben. Diese Phänomene sind jedoch auch Ausdruck einer allgemeinen Entwicklung in der industrialisierten Welt, in der Halt gebende Strukturen, Individualität und „Zwischenmenschliches“ zunehmend an Bedeutung verlieren und in der der Mensch an seiner „Performance“ und seinem „Funktionieren“ gemessen wird. Ich möchte mich an dieser Stelle nicht als weltfremder Sozial-Romantiker präsentieren. In meiner langjährigen Praxistätigkeit habe ich jedoch einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Führungskräften und gesellschaftlich herausgestellten Persönlichkeiten behandelt, deren Probleme ihren Grund in eben diesen Phänomenen hatten.

Welche Psychotherapieform ist für welches Problem die geeignete?

Diese Frage lässt sich meist nur im Einzelfall und nach einem diagnostischen Gespräch klären. Es lässt sich jedoch sagen, dass die Verhaltenstherapie ihre methodischen Stärken vor allem bei Suchterkrankungen, schweren Formen von Zwangserkrankungen und vielen Angststörungen (z.B. bei der generalisierten Angststörung oder bei Phobien) ausspielen kann. Ab einem bestimmten Schweregrad von Ess-Störungen (z.B. der Magersucht oder der Adipositas) können häufig überhaupt nur verhaltenstherapeutische Therapieansätze „greifen“.

Die Domäne der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie und der Psychoanalyse liegen zum einen im Bereich der „Probleme mit Anderen“, das heißt bei Problemen in Beziehungen zu Anderen. Dies können aktuelle Schwierigkeiten im beruflichen oder privaten Umfeld sein, wie vor allem aber auch immer wieder kehrende Muster in Beziehungen zu Anderen (fortwährendes Scheitern von Beziehungen, häufige Überwerfungen mit anderen, wiederholte Kränkungen). Depressionen, Selbstwert-Störungen und psychosomatische Symptome sind eine weitere Domäne der Tiefenpsychologie/Psychoanalyse. Aber auch viele Angst- /Panikstörungen, Phobien (z. B. Krankheits- oder Infektionsphobien), Ess-Störungen oder Zwangssymptome lassen sich häufig erst durch den aufdeckenden und bearbeitenden Therapieansatz der Tiefenpsychologie/Psychoanalyse erfolgreich behandeln.

Wie erwähnt, lässt sich die Indikation für ein bestimmtes Therapieverfahren nicht pauschal oder rein nach Symptomlage fällen sondern bedarf eines diagnostischen Gespräches. Weitergehende Informationen hierzu finden Sie unter dem Punkt „Wie läuft eine Psychotherapie ab“.


(C) 2013 - Alle Rechte vorbehalten

Diese Seite drucken